Sabine Schoder: Immer ist ein verdammt langes Wort

Bewertung: 5 von 5.

Rena hatte einen Motorradunfall und kann sich an nichts mehr erinnern. Plötzlich stürzt ein Junge mit einem blauen und einem grünen Auge von ihrem Balkon und überrascht sie völlig. Mit ihm macht sich Rena auf die Suche nach Antworten. Durch die Ich-Perspektive bekommt man alles persönlich mit. Es ist an sich nichts Besonderes, doch der Schreibstil von Sabine Schoder schon. Die Geschichte hat mich schon seit der ersten Seite gepackt und ich war mitten in der Welt, als würde ich nie woanders gewesen sein. Die Gedanken und Emotionen sind überwältigend und ich habe die ganze Zeit mitgefiebert und mitgefühlt.

Rena hat mich direkt von sich überzeugt. Sie ist ein starker Charakter, der für sich einsteht und mutig und selbstbewusst ist. Natürlich ist sie in einer schwierigen Lage und versucht sich an ihren Unfall zu erinnern. Dazu kommen in fettgedruckter Schrift einzelne Erinnerungen, die vorher verloren geglaubt waren und in Form von Träumen wiederauftauchen. Zusätzlich kommen einzelne Erinnerungsstücke hinzu, die mitten in einer alltäglichen Situation wie ein Feuerwerk hereinbrechen. Manche sind von ihr, während andere unerklärlicherweise aus einer anderen Sicht sind. Das verwirrt zwar am Anfang, aber ganz schnell fasziniert es einen. Mit jedem Kapitel wollte ich weiterlesen und es gab keinen geeigneten Punkt, an dem ich den Roman auf die Seite legen konnte. Auch ich wollte wissen, was mit Rena passiert ist und wie das alles zur jetzigen Situation führt.

Mit dem Prolog wird die Spannung vor allem auf die Mutter gelegt, die irgendwie anders ist. Auch während der nächsten Kapitel bemerkt man schnell, dass Rena eher die Mutter ist und ihre Mutter das Kind. Dieses schwierige Verhältnis ist auch bedeutend, denn Rena sorgt sich um ihre Mutter, obwohl sie sie manchmal anschreien würde. Das versteht man, vor allem da sich ihre Mutter gar nicht um sie kümmert. Trotz all der persönlichen und finanziellen Probleme liebt Rena ihre Mutter und das ist bemerkenswert.

Der interessanteste war Kick. Mit seinen besonderen Augen und dem einzigartigen Humor hat er Renas und mein Herz im Sturm erobert. Die Gespräche zwischen ihm und ihr sind geistreich und faszinierend und langsam fängt es (natürlich) an zwischen ihnen zu knistern. Das aber ist eine reine Nebensache, da die Suche nach der Wahrheit die Hauptgeschichte ausmacht. Trotzdem habe ich es gefeiert, als die beiden (natürlich) zusammenkamen. Kick beschützt Rena vor den „Plastik-Nazis“, die extrem gemein sind und doch ein wichtiger Bestandteil der Story sind.

Tatsächlich gibt es am Ende einen überraschenden Wendepunkt. Ich denken, wer auch immer den Roman liest, wird ihn nicht vorhersehen können. Es ist so plötzlich und faszinierend, aber auch bewundernswert und logisch. Die gesamte Geschichte erscheint in einem ganz anderen Licht als zuvor und man muss alles Geschehene noch einmal Revue passieren lassen, um wieder den neuen Sinn einzuarbeiten. Und das ist perfekt. Diese Logik, etwas ganz umzuändern und das einfach nur mit einem einzigen Ereignis, ohne alles andere zu verändern, kann nicht jeder Autor und ist ein Wunder für sich. Diesen brillanten Umschwung zu verraten, wäre völlig sinnlos und jeder muss die Erfahrung für sich machen. Ich sage nur, dass es sich lohnt und ein Meisterstück für jeden Geist ist, sodass man diesen Roman mindestens einmal gelesen haben MUSS.

Jasira

Fischer
ab 14 Jahren
352 Seiten
ISBN: 978-3-7373-5743-2
14,00 €